GoalControl – Aus der 2. Liga zum Weltfußball

Dirk Broichhausen - GoalControl
Seine Torlinientechnik kommt bei der WM 2014 in Brasilien zum Einsatz: Dirk Broichhausen.

Eine Fehlentscheidung in einem Zweitligaspiel brachte ihn 2009 auf die Idee zur Torlinientechnik, sagt Dirk Broichhausen, Geschäftsführer von GoalControl. Und jetzt will die FIFA das System, das beim Confederations Cup erfolgreich getestet wurde, bei der WM 2014 in Brasilien einsetzen. GoalControl aus Würselen goes Weltfußball.

Broichhausen, der neben seiner Funktion als Geschäftsführer und Mitinhaber der GoalControl auch noch für den Vertrieb und das Marketing bei Pixargus verantwortlich ist, sah eine Zweitligapartie im TV: »Es gab da eine Tor-Fehlentscheidung; am nächsten Tag fragte ich in der Firma, ob wir auch einen Ball detektieren könnten.« Pixargus, ein Unternehmen für industrielle Bildverarbeitung, das sich auf die automatisierte Qualitätskontrolle in der laufenden Produktion spezialisiert hat, kann Fehler finden und diese per Alarm melden. Auf einer ähnlichen Basis entwickelte man daraufhin Schritt für Schritt den Prototypen und Vorläufer des heutigen »GoalControl-4D«.

Sieben Kameras pro Tor behalten den Ball im Blick, wodurch »GoalControl-4D« Genauigkeit und Tempo verspricht: Sofort nachdem der Ball die Torlinie komplett überschritten hat, sendet das System ein Signal aus, das den Schiedsrichter in unter einer Sekunde optisch und mit Vibrationsalarm auf seiner Armbanduhr erreicht. Die Entscheidung auf Tor sei somit technisch sicher.

Die Konkurrenz hinter sich gelassen

Torlinientechnik ist ein kontroverses Thema – bis heute gibt es wohl genauso viele Gegner wie Befürworter. Erstere sehen in der Technisierung eine Verfremdung des Volkssports Fußball, der nicht in erster Linie von Präzision, sondern von Emotionen lebt. Und noch 2010 erteilte die FIFA der Torlinientechnik grundsätzlich eine Absage. Erst nach der WM 2010 und Frank Lampards klarem, aber nicht gegebenem Tor im Spiel gegen Deutschland entflammte die Diskussion erneut. Das International Football Association Board (IFAB) entschied schließlich, die Torlinientechnik zuzulassen. »Das war für uns der Anstoß, aus unserem Prototypen ein serienreifes System zu entwickeln«, erläutert Broichhausen.

Diese Weiterentwicklung war nebenbei nicht mehr zu bewerkstelligen, die GoalControl GmbH wurde gegründet. Das Team konnte sich nun voll und ganz dem aufwändigen Feintuning widmen, um schließlich bei der FIFA vorstellig zu werden. Weitere Prüfungen folgten, »da die FIFA natürlich hohe Anforderungen an solch eine Technik stellt«, so Broichhausen weiter. Ende Februar 2013 war man dann soweit, sich für die Ausstattung des Confed-Cups und der WM in Brasilien zu bewerben. Und prompt setzte man sich gegen alle Mitbewerber durch.

Das ausgereifteste System

Beim Confed-Cup bewährte sich die Würselner Technik, nun steht die Tür zur WM 2014 und damit zum Weltfußball offen. Ihre Flexibilität war eines der Kriterien, die die FIFA überzeugten: Die Installation der Kameras, Leitungen und Rechner lässt sich leicht an die Gegebenheiten des jeweiligen Stadions anpassen. Zudem kooperiert man mit dem Mitbewerber GoalRef, der die Uhren für die Schiedsrichter produziert. »Deren Produkt war schon so ausgereift, dass sich diese Kooperation anbot«, so Broichhausen. Die Torlinientechnik »GoalControl-4D« dürfte das ausgereifteste System auf dem Markt sein.

Es muss sich nur noch gegen die Skepsis durchsetzen: »Technik hält auch in anderen Sportarten Einzug, und immer wird der Sport dadurch verbessert«, sagt Broichhausen. »Auf den Spielablauf selbst nehmen wir doch in keiner Weise Einfluss.« Dennoch:  GoalControl könnte zur Revolution im Weltfußball werden.

Stimmen zur Torlinientechnik

Jérôme Polenz, Fußballprofi (u.a. Werder Bremen, Alemannia Aachen, nun amtierender australischer Meister mit den Western Sydney Wanderers):
»Ich bin ganz klar dagegen. Fußball sollte Fußball bleiben, mit menschlichen Makeln und Fehlentscheidungen, die das Spiel ja erst so emotional machen. Wenn die Torlinientechnik kommt, folgen irgendwann der automatische Abseitsanzeiger und der automatische Schiri …«

Thomas Hengen, Europascout für den Hamburger SV (ehem. Bundesligaprofi und Scout für den FC Everton):
»Das wurde auch Zeit! Drin oder nicht drin ist keine Frage der Fußballromantik – man greift ja nicht ins Spiel ein, sondern unterstützt die Schiedsrichter. Wenn sie sich in der Praxis bewährt, würde ich die Torlinientechnik sehr begrüßen!«

Dirk Broichhausen, Geschäftsführer und einer von fünf Gründern GoalControl GmbH:
»Ich bin selbst Fußballfan und habe keine Bedenken, dass die Torlinientechnik den Sport kaputt machen könnte. Nicht das Spiel wird verändert; es ist eine die Schiedsrichter unterstützende Maßnahme, die schnell und sicher funktioniert. Auf den Spielablauf nehmen wir in keiner Weise Einfluss.«

Tim Habicht, freier Journalist und Online Redakteur (u.a. beim Amateurfußball-Portal fanreport.com):
»Geld und Arbeitsplätze können an einem Auf- oder Abstieg, also auch an einer einzigen Entscheidung hängen. Deswegen sollte man, sofern sie einwandfrei funktioniert, mit der Zeit gehen und auf die Torlinientechnik setzen. Im Amateurbereich sollte man allerdings das Geld lieber in bessere Fußballplätze und Rahmenbedingungen im Allgemeinen investieren. Schließlich ist der Amateursport die Basis.«

Dieser Artikel erschien ursprünglich in Klenkes NEO 10 »Rebellion«.
Christian machte 15 Jahre lang Musik, nahm Platten auf und tourte durch Europa. Zwischendurch studierte er und nahm die ersten Texterjobs an. Jetzt ist er freier Texter, Autor und Redakteur für Kommunikationsagenturen und Verlage, für Zeitschriften und Magazine, für die öffentliche Hand und Direktkunden, online und offline. Er mag Rhythmus und Prägnanz, Melodie und Relevanz. In Headline, Copy oder Redaktion, im Storytelling und relevantem Content. textass hold 'em.

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